Für ein fahrradfreundliches Rastede

Die Stadtradeln-Aktion in Rastede neigt sich ganz langsam dem Ende zu. Das heißt aber nicht, dass uns schon die Luft ausgeht 😉 – im Gegenteil. Jeden Tag entdecken wir als Familie neue schöne Wege und schmieden Pläne, wo wir demnächst noch überall hinradeln wollen. Natürlich gibt es in Rastede auch Hürden für den Fahrradalltag. In dieser Woche kam es in Rastede leider zu einem Fahrradunfall, bei dem ein Junge mit einer Pedelec-Fahrerin kollidierte und sich den Arm brach. Die Unfallstelle kennen wir selbst sehr gut, denn sie liegt auf unserem täglichen Schulweg. Wer dort regelmäßig mit dem Rad unterwegs ist, wundert sich sicherlich nicht, dass es auf dem schmalen Fußweg mit Radfreigabe tatsächlich zu einer Kollision gekommen ist – angesichts der häufigen Beinahe-Kollisionen, die man dort beobachten oder selbst erleben muss.

5 der 22 vorbildlichen Stadtradler*innen aus der Gemeindeverwaltung Rastede

Auch die Ergebnisse des letzten ADFC-Fahrradklimatests haben gezeigt: Wirklich fahrradfreundlich ist Rastede noch nicht. Im Herbst 2020 hatten Radfahrer*innen verschiedene Kriterien, wie Sicherheit, Komfort und Infrastruktur auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet. In der Gemeinde Rastede wurden 14 von 27 Kriterien mit einer 4 bewertet, vier weitere Kriterien bekamen eine 5. Man muss dazu sagen, dass der ADFC-Fahrradklimatest in vielen anderen Gemeinden in Niedersachsen und Deutschland ähnlich oder noch schlechter ausgefallen ist. Rastede hat mit diesen Ergebnissen im Ranking der niedersächsischen Gemeinden zwischen 20.000 und 30.000 Einwohnern den 10. Platz belegt. Rastede hat in Sachen Fahrradfreundlichkeit aber sehr viel Potential: sehr viele radbegeisterte Bürger*innen, eine gewachsene Infrastruktur und vor allem einen Bürgermeister und einen Gemeindesprecher, die selbst begeisterte Alltagsradler sind und sich die Förderung des Radverkehrs auf die Fahnen geschrieben haben. Zusammen mit dem Team der Gemeindeverwaltung haben Bürgermeister Lars Krause und Gemeindesprecher Ralf Kobbe beim Stadtradeln schon 3.500 Kilometer zurückgelegt (Platz 6). Daher habe ich die beiden befragt, wie sie selbst das Fahrrad nutzen und wie sie den Radverkehr in Rastede fördern wollen.

Wie nutzen Sie selbst im Alltag das Fahrrad?

Lars Krause: In aller Regel nutze ich für den Weg zur Arbeit das Fahrrad und ebenso, um innerhalb Rastedes an verschiedene Ziele zu gelangen. Von Leuchtenburg aus lässt sich eigentlich alles bestens erreichen. Neben dem praktischen Nutzen im Alltag hat das Radfahren für mich aber auch den Aspekt fit zu bleiben und die Umwelt zu schonen. Privat unternehmen wir zudem an Wochenenden oder im Urlaub sehr viele Radtouren.

Ralf Kobbe: Neben dem täglichen knapp sieben Kilometer langen Weg von Wahnbek zur Arbeit im Rathaus nutze ich das Rad für kleinere Einkäufe, für die Fahrt zum Sport oder auch zu Besuchen bei meinen Eltern in Hahn-Lehmden. Ich versuche generell, alle Fahrten innerhalb der Gemeinde oder auch nach Oldenburg mit dem Fahrrad zu erledigen. Insofern ist die ganzjährige Nutzung meines Fahrrads für mich selbstverständlich.

Wo stoßen Sie in Ihrem Alltag mit dem Fahrrad an Grenzen? Wann nutzen Sie das Auto, wann ÖPNV bzw. die Bahn?

Lars Krause: Die Grenzen werden meist durch die Faktoren Distanz und Zeit bestimmt. Dank unseres Dienst-E-Bikes sind Strecken bis zu zehn Kilometer gut zu bewältigen. Aber wenn sich ein Termin an den anderen Termin reiht, bietet sich häufig eher der E-Dienstwagen an. Gegenüber dem ÖPNV besteht der Vorteil darin, dass man sein Ziel direkt erreicht. Deshalb nutze ich Busse und Bahnen im Nahbereich recht selten.

Ralf Kobbe: Bei größeren Einkäufen mit Getränken für unsere vierköpfige Familie stoße ich mit dem Fahrrad schnell an Grenzen, sodass dafür das Auto genutzt wird. Den ÖPNV nutze ich so gut wie gar nicht, muss ich gestehen – mit Ausnahme des einen oder anderen Besuchs von Heimspielen der EWE Baskets Oldenburg.

Was müsste sich in Rastede „und um zu“ verändern, damit sie selbst noch mehr Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegen?

Ralf Kobbe: Eigentlich komme ich momentan überall gut durch, sodass ich nahezu alle Alltagsweg bis zu zehn Kilometer mit dem Fahrrad erledige. Wichtig ist natürlich die persönliche Ausrüstung mit Helm sowie Schutz- und Regenkleidung, um auch bei widrigem Wetter mit dem Fahrrad mobil sein zu können.

Lars Krause: Mein persönlicher Anspruch ist es, möglichst viele Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen, da bedarf es eigentlich keiner zusätzlichen Motivation oder Veränderung.

Bundesverkehrsminister Scheuer hat vor Kurzem den Nationalen Radverkehrsplan vorgestellt, demzufolge Deutschland bis 2030 ein Fahrradland werden soll. In Rastede hat statistisch jeder Haushalt mindestens ein Auto. Der Trend zum 2. Auto setzt sich fort. Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit das Ammerland bis 2030 zum Fahrradland werden kann?

Ralf Kobbe: Zunächst muss man aus meiner Sicht deutlich unterstreichen, dass das Ammerland im Vergleich zu vielen anderen Landkreisen bereits über eine gute Fahrradinfrastruktur verfügt. Jetzt liegt der Schwerpunkt nicht mehr auf dem Neubau von Radwegen, sondern auf der Sanierung der bereits bestehenden Verbindungen. Die vorhandenen Wege sind teilweise ziemlich in die Jahre gekommen und genügen den heutigen Ansprüchen nur noch bedingt, da inzwischen nicht nur normale Fahrräder unterwegs sind, sondern schnelle E-Bikes, Lastenräder oder Fahrräder mit Anhänger. Dafür sind die schmalen und teilweise unebenen Radwege nicht ausgelegt.

Lars Krause: Daneben muss sich sicherlich unser Bewusstsein verändern, dahingehend, dass es zur Selbstverständlichkeit wird, kurze Strecken mit dem Rad zu absolvieren. Das ist ein Prozess, der sich nicht von einem Tag auf den anderen vollzieht. Als Gemeinde versuchen wir, diese Entwicklung zu fördern. Durch die Teilnahme am „Fahrradklimatest“ haben wir erhoben, wo die Stärken und Schwächen unserer Infrastruktur gesehen werden. Vom „Stadtradeln“ erhoffen wir uns, dass noch mehr Rastederinnen und Rasteder feststellen, dass das Fahrrad für viele Alltagswege die bessere Alternative ist. Auch mit Aktionen wie dem mobilen Bürgerdialog wollen wir das Rad mehr in den Fokus rücken.

Für den Verkehr trägt die Gemeinde nur teilweise die Verantwortung, viele Aufgaben liegen auch beim Kreis. Welche Aufgaben hat die Gemeinde Rastede und was ist in nächster Zukunft im Bereich „Radverkehrsförderung“ geplant?

Lars Krause: Radwege befinden sich in unserer Gemeinde fast ausschließlich an Kreisstraßen, aber wir möchten bei der Frage, was für den Radverkehr förderlich ist, deshalb nicht die Hände in den Schoß legen. Vielmehr nehmen wir konstruktive Anregungen und Meldungen über Probleme gerne auf und versuchen zusammen mit dem Landkreis Verbesserungen zu erzielen. Nach der „Stadtradeln“-Aktion werden wir uns auch mit Vertretern des ADFC und anderen Fahrradinteressierten treffen, um die Stärken-Schwächen-Analyse weiter zu vertiefen. Daraus lassen sich am Ende sicherlich mögliche Maßnahmen ableiten. Die müssen dann zunächst mit der Politik erörtert und können anschließend gegebenenfalls umgesetzt werden.

Ralf Kobbe: Es gibt erste Ansätze, die mit vergleichsweise wenig Geld umzusetzen wären, aber eine große Wirkung für den Stellenwert des Fahrrads entfalten könnten. Ich persönlich würde gerne die Vorfahrtsregelung an unseren Kreisverkehrsplätzen geändert sehen, dem Radverkehr rund um die Schulen grundsätzlich Vorfahrt gewähren und die Ampelschaltungen im Ort für den Radverkehr optimieren. Mittelfristig müsste sicherlich das große Thema Oldenburger Straße mit den unterschiedlichsten Regelungen für Radfahrende in Angriff genommen werden.

Beim ADFC-Fahrradklimatest 2020 wurden insbesondere die zu geringe Breite und der schlechte Zustand von Radwegen bemängelt. Aber es gaben auch viele Teilnehmer*innen an, dass sie im Mischverkehr von Kfz bedrängt werden und sich insgesamt beim Radfahren nicht sicher genug fühlen. Was muss sich Ihrer Meinung nach in Rastede verbessern und wo sehen Sie Möglichkeiten von Seiten der Gemeinde, diese Verbesserungen voranzutreiben?

Ralf Kobbe: Auf die geringe Breite und den teilweise schlechten Zustand der Radwege bin ich ja bereits eingegangen. Hier setze ich auf den Landkreis Ammerland, der sich die Ertüchtigung der Radwege an den Kreisstraßen für die nächsten Jahre zur Aufgabe gemacht hat. Darüber hinaus gilt es, um Verständnis und Rücksichtnahme unter allen Verkehrsteilnehmern zu werben, da sich die aufgezeigten Probleme nur gemeinsam lösen lassen. Vielleicht sind dafür Veranstaltungen und Workshops mit Experten zum Thema innerörtliche Mobilität geeignete Instrumente, um eventuell auch weitergehende Lösungsansätze erarbeiten zu können.

Lars Krause: Die Herausforderung, eine vorhandene, gewachsene Infrastruktur so anzupassen, dass sich die Situation insgesamt verbessert, ist nicht zu unterschätzen. Es kann nicht das Ziel sein, die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer gegeneinander auszuspielen. Wir alle haben ein Interesse daran, dass der Verkehr bei uns nachhaltig und sicher ist. Dem künftigen Klimaschutzmanager unserer Gemeinde könnte die Aufgabe zukommen, diese Entwicklung zu gestalten und zu moderieren. Seitens der Gemeinde fördern wir darüber hinaus punktuell, wie zum Beispiel durch die Schaffung von Lademöglichkeiten für E-Bikes.

Was möchten Sie den Rastedern zum Thema „Radfahren im Alltag“ außerdem mitteilen?

Ralf Kobbe: Die Rastederinnen und Rasteder sind schon seit vielen Jahren begeisterte Radfahrer. Dies wird auch bei der diesjährigen Stadtradeln-Aktion deutlich, die eindrucksvoll zeigt, welch großes Radfahrpotenzial wir in der Gemeinde Rastede haben. Egal ob Schülerinnen und Schüler, Berufstätige oder Senioren – alle radeln begeistert mit. Und das ist auch der richtige Ansatz: Wir müssen versuchen, etwas im Kleinen zu bewegen, damit sich daraus etwas Großes entwickelt. Setzen wir uns also weiter auf das Fahrrad, damit Rastede sich zu einem klimafreundlichen Fahrradort entwickelt.

Lars Krause: Rastede bietet mit all seiner Natur viele tolle Optionen für Radfahrer. Das ist auch durch die Corona-Krise noch einmal ganz deutlich geworden, als man statt in der Ferne direkt in unserer unmittelbaren Umgebung reizvolle Orte (wieder-) entdecken konnte. Auf dem Fahrrad nimmt man die Fahrten durch die Gemeinde ganz anders wahr und es gibt einige schöne Strecken, die von motorisierten Fahrzeugen gar nicht befahren werden dürfen. Ich kann deshalb nur alle ermutigen, weiter mit dem Rad auf Entdeckungsreise zu gehen.

Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für meine Fragen genommen haben.

Als ADFC-Mitglied freue mich besonders darüber, dass Gespräche zur Stärken-Schwächen-Analyse in Angriff genommen wird. Auch dass die Probleme rund um die Schulen wahrgenommen und dass insgesamt so viele Ideen für konkrete Maßnahmen genannt werden, ist sehr erfreulich. Allerdings sollten meiner Meinung nach nicht nur beim Thema Miteinander im Verkehr Expert*innen-Meinungen stärker beherzigt werden. Gerade die größeren Umbauten, die in den letzten Jahren in der Oldenburger Straße, aber auch am Voßbarg erfolgt sind, entsprechen im Hinblick auf den Radverkehr nämlich nicht dem aktuellen Stand der Technik. Und das spiegelt sich auch in den Problemen, die Radfahrer*innen und Fußgänger*innen dort täglich erleben. Ein linksseitiger Fußweg, der für Radfahrer*innen in beide Richtungen freigegeben wird, ist von vornherein sehr gefährlich. Das kann man auch in Sicherheitsaudits von Expert*innen nachlesen, die zwar erstellt, aber leider selten wirklich ernst genommen werden. Ein gutes Miteinander im Verkehr ist das A und O. Aber auch die Bedingungen bei den Verkehrsanlagen müssen stimmen, wenn Rastede beim nächsten ADFC-Fahrradklimatest als „fahrradfreudlich“ beurteilt werden will.

Auf den folgende Fotos sind einige „Problemzonen“ der Oldenburger Straße zu sehen. Normalerweise sind dort mehr Radfahrer*innen, Fußgänger*innen und Autos unterwegs. Um in Ruhe Fotos machen zu können, habe ich mir eine besonders verkehrsarme Zeit am Abend ausgesucht.

Der Zweirichtungsradweg an der Oldenburger Straße hat viele Einmündungen, an denen Autofahrer*innen auf Radfahrer*innen aus beiden Richtungen achten müssen: Zuerst kommt REWE…
… danach LIDL. Besonders schlecht können Autofahrer*innen die Radler*innen sehen, die von hinten links angedüst kommen.
An der Bushaltestelle warten regelmäßig mehrere Menschen auf den Bus, Radfahrer*innen müssen Schrittgeschwindigkeit fahren und dürfen Fußgänger*innen nicht behindern.
Auch für die Fußgänger*innen, die aus dem Weg herauskommen, ist die Sicht durch die Hecke enorm eingeschränkt. Das führt zu Konflikten mit Radfahrer*innen, die den Weg gar nicht wahrnehmen und, wenn sonst alles frei ist, auch schneller als Schrittgeschwindigkeit fahren.
… dann die Feldbreite und direkt dahinter ESSO…
Nach dem Hirschtor beginnt der Fußweg mit Freigabe für den Radverkehr in beide Richtungen. Auf dieser Stercke kam es am Dienstag, den 15.06.2021, zu einer Kollision zwischen einer Pedelec-Fahrerin und einem zwölfjährigen Radfahrer.
Hinter der Hecke versteckt sich ein Fußweg, aus dem oft Fußgänger*innen und Radfahrer*innen kommen, die man vorher nicht sehen kann.